Leonore Hälg im Interview zum CO2-Gesetz

Interviewt wurde Leonore Hälg von der Klima-Allianz Schweiz

“Klimafreundliche Technologien sind billiger und fördern sowohl Innovation als auch unser Wohlbefinden.”

Wer mehr CO2 generiert, bezahlt mehr – wer auf alternative Technologien setzt, profitiert. Energiewissenschaftlerin Léonore Hälg* von der ZHAW erklärt, warum uns das CO2-Gesetz mit dem Prinzip der Verbrauchergerechtigkeit und Förderprogrammen im Klimaschutz weiter bringt.

Am 13. Juni stimmen wir über das CO2-Gesetz ab. Was bringt uns dieses Gesetz im Alltag?
Wir reduzieren damit unseren CO2-Fussabdruck. Durch das revidierte CO2-Gesetz  werden weniger Autos mit fossilen Antrieben wie Benzin und Diesel unterwegs sein. Das reduziert die Lärmbelastung, sowie die Belastung durch Feinstaub und Stickoxid. Besser isolierte Häuser steigern das Wohlbefinden. Außerdem schont die CO2-Reduktion unser aller Portemonnaie und wirkt natürlich dem Klimawandel entgegen.

Warum sparen wir Geld mit Klimaschutz?
Viele klimafreundliche Alternativen sind billiger über den Lebenszyklus gesehen als klimaschädliche Technologien, wie zum Beispiel benzin-betriebene Autos oder fossile Heizsysteme. Und wenn Sie Ihr Haus besser isoliert haben mit Unterstützung durch Fördergelder des Gebäudeprogramms, sinken auch die Heizkosten. Schlussendlich werden durch die Reduktion der Treibhausgasemissionen die Kosten für Klimafolgeschäden kleiner.

Welches sind die wesentlichen Instrumente des Gesetzes?
Einerseits das Reduktionsziel und andererseits Massnahmen in den Bereichen Verkehr,  Gebäude und Industrie, wo heute am meisten Emissionen anfallen. Das neue Reduktionsziel besagt, dass wir im Jahr 2030 50 Prozent weniger Treibhausgasemissionen verursachen sollen im Vergleich zum Jahr 1990.

Wie trägt das CO2-Gesetz im Verkehrssektor zur Emissionsreduktion bei?
Der Verkehrssektor verursacht einen Drittel der Schweizer Treibhausgase. Mit der Erhöhung des Aufschlags auf den Benzinpreises und der neuen Flugticketabgabe sollen diese gesenkt werden.

Und im Gebäudesektor ?
Die wichtigsten Instrumente sind hier die Auflagen beim Ersatz von fossilen Heizsystemen sowie die CO2-Abgabe auf Brennstoffe: Wenn man in Zukunft eine Öl- oder Gasheizung mit einer Öl- oder Gasheizung ersetzen will, ist definiert, wie viel Gas oder Öl pro Wohnfläche verwendet werden darf, respektive, wie viel CO2 maximal pro Jahr generiert werden darf. Das heisst, dass man eigentlich nur in sehr gut isolierten Häusern, wo der Heizbedarf gering ist, wieder eine Öl- oder Gasheizung einbauen kann. So wird sichergestellt, dass weniger CO2 ausgestossen wird beim Wohnen. In Neubauten dürfen keine CO2-Emissionen für das Heizen mehr anfallen.

Warum braucht es das CO2-Gesetz?
Um Verursachergerechtigkeit herzustellen. Leute, die durch den Verbrauch von fossilen Energien mehr CO2-Emissionen generieren, bezahlen auch mehr. Das verteuert natürlich die Nutzung von fossilen Energien, aber es fördert gleichzeitig klimafreundliche Alternativen.

Was passiert mit dem Geld der Flugticketabgabe oder der höheren Benzinpreise?
Der Aufschlag auf die Benzin- und Dieselpreise geht an die Treibstoff-Importeure. Sie müssen einen Teil der Emissionen, die der von ihnen importierte Treibstoff verursacht, kompensieren. Das müssen sie zwar heute schon, jedoch wird der Anteil erhöht. In Zukunft müssen die Treibstoff-Importeure bis zu 90% der Emissionen aus dem Verkehr kompensieren. Um dies zu finanzieren, dürfen sie Benzin und Diesel mit bis zu 10 bis 12 Rappen pro Liter verteuern. Für jedes Flugticket ist eine Abgabe von zwischen 30 und 120 Franken vorgesehen. Diese Abgaben sowie die CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe werden grösstenteils direkt an die Bevölkerung und an die Unternehmen zurück verteilt. Zudem fliesst ein Teil aus diesen Abgaben in den Klimafonds.

Was ist der Klimafonds?
Aus dem Klimafonds wird einerseits das Gebäudeprogramm finanziert, mit welchem energetische Gebäudesanierungen unterstützt werden. Der Klimafonds fördert auch innovative Unternehmen und finanziert Projekte, welche Klimafolgeschäden vermindern sollen.

Wie sinnvoll sind solche Lenkungsabgaben als Hebel für mehr Klimaschutz?
Sie sind sehr sinnvoll. Verursacher*innen von Emissionen müssen dafür bezahlen. So wird  die Nutzung von Technologien auf Basis von fossilen Energien teurer. Und klimafreundlichere Alternativen werden finanziell interessanter. Durch deren vermehrte Nutzung geht der CO2-Ausstoss zurück.

Gibt es Beispiele erfolgreicher Lenkungsabgaben in der Schweiz ?
Ein erfolgreiches Beispiel ist die VOC-Abgabe. Das ist eine Abgabe auf flüchtige organische Stoffe, die in Lösungsmitteln erhalten sind. Mit dieser Massnahme, die 2000 eingeführt wurde, konnte der VOC-Ausstoss bereits um 40% reduziert werden.

Belasten die Mehrkosten für Fliegen oder Autofahren das Budget von Familien?
Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass eine durchschnittliche Familie kaum mehr bezahlt. Wenn Sie viel mit dem Benzinauto rumfahren oder viel fliegen, dann bezahlen Sie natürlich auch mehr. Das ist verursachergerecht. Die Leute, die CO2 Emissionen ausstossen, sollen auch für diese bezahlen. Wenn Sie aber z.B. erneuerbar heizen und selten fliegen, dann kommen Sie unter dem Strich besser weg, da ein Teil der Abgabe ja rückverteilt wird.

Stören Regulierungen nicht den Markt und verhindern Innovation im technologischen Bereich?

Nein. Die Forschung zeigt, dass Regulierungen keinen negativen Einfluss auf Innovation im technologischen Bereich haben. Wenn eine Technologie verboten oder verteuert wird, dann wird sie mit einer anderen ersetzt. Innovation muss direkt gefördert werden und das wird auch gemacht im revidierten CO2-Gesetz, und zwar über den Klimafonds. Klare Rahmenbedingungen, wie sie das Gesetz bietet, dienen Unternehmen. Sie wissen dann, was die allgemeine Stossrichtung ist und können entsprechend investieren.

Kurzbeschreibung:

*Dr. Léonore Hälg ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Umwelt und natürliche Ressourcen an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Ihr Forschungsschwerpunkt ist die Energie- und Klimapolitik und deren technologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen. Sie hat an der ETH Zürich doktoriert und zuvor an den ETHs in Zürich und Lausanne Energiewissenschaften und Chemieingenieurwesen studiert.